Kraniche ziehen über das Land, lange noch sind ihre charakteristischen Rufe zu hören. Auch dann noch, als die Formation der großen Vögel sich bereits am nördlichen Horizont verliert. Im Garten, unter dem alten Kirschbaum, haben sich die sonnengelb leuchtenden Blüten der Winterlinge Eranthis hyemalis geöffnet. Am Waldboden der Rotbuchenwälder, wie hier nahe der Iburg bei Bad Driburg, hat die Blüte des Hohlen Lerchensporns Corydalis cava begonnen. Weiße und violettfarbene Individuen blühen in direkter Nachbarschaft. Auch die dunkelbraun-gefleckten Blätter des Aronstabs Arum macculatum treten aus dem Boden hervor. Noch zusammengerollt kämpfen sie sich durch die Laubschicht, die sich im vergangenen Herbst unter den Bäumen niedergelegt hat.

Eine Honigbiene besucht die Blüte des Winterlings (Eranthis hyemalis
Eine Honigbiene Apis mellifera besucht die Blüte des Winterlings Eranthis hyemalis
40 mm | f 2.8 | 1/5000 s | ISO 200
Ein austreibendes Blatt des Gefleckten Aronstabs (Arum maculatum) durchbohrt ein am Waldboden liegendes Buchenblatt des vergangenen Jahres
Ein austreibendes Blatt des Gefleckten Aronstabs Arum maculatum durchbohrt ein am Waldboden liegendes Buchenblatt des vergangenen Jahres | 32 mm | f 5 | 1/60 s | ISO 250

Es gibt sie, diese wahrhaftigen Zeichen der Natur, die vom baldigen Beginn des Frühlings künden. Keine andere Jahreszeit wird von so vielen Menschen sehnsüchtiger erwartet, als die Zeit, in der die Tage länger und wärmer werden: Einen Spaziergang im Park machen oder im Wald, ein erstes Eis in der Stadt genießen, einen Tag im Garten verbringen. Aber wann beginnt der Frühling auf der Nordhalbkugel der Erde genau und welche Parameter spielen dabei eine Rolle?

Vom Aufstieg der Sonne in die nördliche Himmelskugel

Eigentlich ist der Frühlingsanfang ein astronomisches Ereignis, exakt berechenbar – auf die Minute genau. Beim astronomischen Frühlingsanfang bestimmt die Sonne, wann die Jahreszeit beginnt. Astronomen stellen sich den Himmel als Kugel vor, wobei der Äquator der Erde auf die Himmelskugel projiziert wird. Der durch diese Spiegelung entstehende Himmelsäquator teilt das Firmament in eine Süd- und eine Nordhalbkugel.

Von der Erde aus betrachtet scheint die Sonne innerhalb eines Jahres entlang dieser Himmelskugel durch die Sternbilder des Tierkreises zu wandern. Diese scheinbare Bahn der Sonne am Firmament wird Ekliptik genannt und ist um einen Winkel von etwa 23½ Grad zum Himmelsäquator geneigt. Daraus ergeben sich zwei Punkte, in denen sich die Ekliptik und der Himmelsäquator schneiden – es sind der Frühlingspunkt und der Herbstpunkt.

Seit der Wintersonnenwende im vergangenen Dezember steigt die Sonne nun hinauf in Richtung des Himmelsäquators, um diesen im Frühlingspunkt zu überschreiten und damit den astronomischen Frühling in der nördlichen Hemisphäre der Erde beginnen zu lassen. In diesem Jahr 2021 wird die Sonne den Frühlingspunkt am 20. März um 10:37 Uhr MEZ erreichen. Aber es gibt noch andere Betrachtungsweisen und Merkmale, nach denen der Beginn des Frühlings festgelegt werden kann.

Der meteorologische Frühlingsbeginn, komplette Monate für die Statistik

Meteorologen und Klimaforscher arbeiten mit Wetter- und Klimadaten. Temperaturen werden erfasst, Niederschlagsmengen und Sonnenstunden. Diese Daten fließen anschließend in Berechnungen ein, wie z. B. Mittel- oder Extremwerte. Da diese Berechnungen zeitlich immer auf Monate bezogen werden, lassen Meteorologen die Jahreszeiten immer am jeweils ersten Tag des Monats beginnen, in dessen Verlauf auch bei den Astronomen die neue Jahreszeit beginnt. Somit startet der meteorologische Frühling bereits am 1. März. Zusammen mit dem April und dem Mai haben die Wetterbeobachter damit drei komplette Monate Frühling.

Frühlingsbeginn durch die Beobachtung der Natur

Der phänologische Kalender kennt keinen exakt definierten Zeitpunkt für den Beginn des Frühlings. Vielmehr differenziert dieser Kalender den Frühling in drei Frühlingsphasen, deren Beginn und Fortdauer jeweils durch ganz bestimmte Pflanzen angezeigt werden. Mit der Blüte des Haselstrauchs beginnt der Vorfrühling, auf den mit dem Blühbeginn der Forsythien der Erstfrühling folgt. Mit der Blüte des Apfels schließlich, beginnt der Vollfrühling.

Apfelblüte, Detail
Nach dem phänologischen Kalender zeigt die Blüte des Apfels den Beginn des Vollfrühlings an

Die Eintrittstermine der einzelnen phänologischen Frühlingszeiten können je nach geografischer Lage stark variieren. So kann es passieren, dass in einem nur wenige Kilometer südlich gelegenen Nachbarort der Vollfrühling mit der Apfelblüte bereits begonnen hat, während im eigenen Garten noch der Erstfrühling vorherrscht.

Es ist Abend geworden, die Sonne bereits untergegangen. Das Tageslicht hat sich in der letzten Zeit bedeutend verlängert. Der westliche Himmel ist noch nicht vollständig dunkel, hat jetzt ein tiefes Blau angenommen. Ob man sich nun die Meteorologen zum Vorbild nimmt und die ersten Märztage bereits dem Frühling zuordnet, ob man noch wartet auf die Sonne, bis sie den Frühlingspunkt erreicht hat oder ob man gar die Blüte der Apfelbäume zu seinem persönlichen Frühlingsbeginn erklärt – sicher ist, die vielleicht schönste Jahreszeit liegt nun vor uns.